Drachen oder Methamphetamin

– Februar 2016 –

Ich fühl mich komplett ausgelaugt. Keine Energie. Keine Motivation. Ich brauche dringend Ablenkung. Ich brauche dringend etwas Wärme, etwas was mich zum Lächeln bringt. Am liebsten würde ich Herr Busch schreiben. Einen Abend mit ihm verbringen. Die Thesis einfach vergessen, zumindest für einen Abend.

Wie lerne ich am Besten einen Kerl kennen, ohne dass eine Party stattfindet? Ich weiß nicht wie ich darauf kam, aber aus dem nichts kam ich auf die irre Idee Tinder runterzuladen. Ich hatte vorher noch nie getindert. Hatte auch vorher noch nie ein Blind-Date, soweit man das noch so nennen kann. Die App ist runtergeladen. Ich bearbeite kurz mein Profil und lege sofort los. Swipe viel zu oft nach links, lache mich hin und wieder kaputt, als bekannte Gesichter auftauchen, selten wische ich mal nach rechts , wenn mir einer gefällt.

Aus irgendeinem Grund schreibe ich an dem Tag noch mit Lucy. Sie bekommt daraufhin auch Lust zu tindern. Also tindern wir zusammen, lachen über die ganzen Kerle, bis Lucy auf die ultimative Idee kommt, uns einen „Opener“ auszudenken. Wir grübeln eine Weile bis wir den perfekten Opener gefunden haben. „Drachen oder Methamphetamin?“ Mit dieser Frage sprechen wir jeden Match an. Die Antworten reichen vom Drogenkonsum, bis zum eigentlich gemeinten Serienjunkie. Gerade als ich noch einmal die Frage stellen wollte, bekomme ich eine Nachricht.

„Hey. Bist du die Kellnerin von gestern in der Bar XY?“ Neee, bin ich nicht. Ich denk mir nichts weiter bei ihm und lasse ihn erst Mal, obwohl er ein ganz schöner Schnuckel ist. Stattdessen lache ich über die lustigen Antworten auf die Frage und scheibe währenddessen immer wieder mit Lucy. Erst viel später schreibe ich wieder mit dem Kerl, der mich für die Kellnerin hielt. Wir schreiben erst mal nur ein wenig hin und her. Ich erzähle ihm, dass ich gerade Private Practice gucke und er macht sich lustig darüber und fragt ob ich noch Sekt dazu trinke. Wir flirten schon richtig krass und es wird immer später. Mir wird klar, dass heute kein Date mehr drin ist.

Wir schreiben am nächsten Tag weiter und er verspricht mit mir Private Practice bei einer Flasche Sekt zu gucken, falls ich fünf weitere Seiten an meiner Thesis schaffe. Gegen Abend finde ich es etwas seltsam, mit jemand Fremden eine Serie zu gucken und ich schlage vor in die Bar zu gehen und danach zu schauen was sich ergibt.

Um 20 Uhr steht er mit seinem Auto vor meiner Haustür. Ich gehe runter, finde es etwas seltsam jemand Fremdes zu treffen. Mein erstes Blind-Date fällt mir wieder ein. Wir umarmen uns und steigen ins Auto. Etwas seltsam, dass wir überhaupt mit dem Auto fahren, in meiner kleinen Unistadt ist alles innerhalb von 10 min zu Fuß zu erreichen. Das Auto ist zumindest schön warm. Meine Analyse startet. „Hmm er sieht nicht schlecht aus. Etwas klein, aber nicht zu klein. Seine Kette ist etwas seltsam. Nicht unbedingt volles Haar. Schöne Hände. Gesprächig. Selbstbewusst. Etwas schmale Lippen. Uuuhh muskulös.“

In der Bar bin ich die einzige Frau neben der Kellnerin. Es wird Fußball gezeigt und die Bar, die eigentlich eher eine Kneipe ist, ist voller Männer im Fußballfieber. Wir unterhalten uns viel über die Uni und Jobs, die wir mal hatten. Als mein Cocktail leer ist, schlage ich vor zu zahlen. Er zahlt gleich alles und wir machen uns auf den Weg nach Hause. Vor meiner Haustür frägt er mich: „Geht der Abend noch weiter oder endet er hier?“ Die Pluspunkte überwiegen die Mängel und ich lade ihn ein. Zu meiner Überraschung packt er eine Flasche Sekt aus, die ich auch sofort oben öffne.

Wir zappen ziellos durch die Kanäle, bis er aus dem Nichts seinen Arm um mich legt. Meine Kopf ist jetzt an seine Schulter angelehnt und ich mache mir schon Gedanken, wie ich es hinkriege, dass wir uns küssen. Mir geht das alles viel zu langsam, also drehe ich mich einfach zu ihm, schenke ihm ein laszives Lächeln und küsse ihn. Mein lasziver Blick verwandelt sich in einen erstaunten Blick. Seine Zunge steckt mitten in meinem Hals und ich glaube er würde tiefer gehen, wenn ich nicht ausweichen würde. Ich muss mich unglaublich bemühen, damit ich nicht immer einen Meter Zunge im Mund stecken habe. Während dem „knutschen“ mache ich mir Gedanken, wie ich ihm in netten Worten sage, dass man so nicht küsst. „Entschuldigung, das funktioniert so nicht.“ Ne das kann ich so nicht sagen. Hmm „Hey, nicht so stürmisch.“ sollte klappen.

Mein „Hey, nicht so stürmisch“ scheint er erst mal verstanden zu haben. Jetzt benutzt er nicht mehr ganz oft die Zunge. Das Küssen gefällt mir etwas besser, aber so richtig gut wirds wohl auch nicht mehr werden. Ich stehe auf und führe ihn in mein Zimmer. Ich möchte mich direkt ins Bett legen, da zieht er mich an meinem Arm wieder zu sich und küsst mich wieder. Ich greife ihm um den Hals und er zieht mich an meinem Hintern hoch, damit ich meine Beine um ihn klammern kann. Langsam läuft er so zu meinem Bett und legt zuerst mich hin und dann sich auf mich. Der „Move“ gefällt mir ziemlich gut und schmunzele deswegen etwas in mich. Es geht ziemlich schnell und schon liegen wir nackt da.

Er ist sehr muskulös, etwas zu sehr. Zu hart, zu unweich, so weiß. Ich steh ja echt nicht auf Südländer, aber Mr Sekt ist wirklich Frischkäse-Weiß, da kann es schon etwas mehr Farbe geben. Von mir bekommt er zwar keine Komplimente, aber ich umso mehr von ihm. Wow deine Figur. Wow, deine Brüste. Wow, dein weiß-Gott-was. Kann ich ja gar nicht haben. Ich hasse oberflächliche Komplimente und versuche ihn deshalb leise zu bekommen. Ich gebe ihm ein Kondom, damit er es sich überstülpen kann und endlich aufhört zu reden. Mein Plan geht auf.

Ich fange direkt an zu stöhnen, als er in mich dringt. Es dauert nicht lange bis ich zum Höhepunkt komme. Es ist kein besonders toller, aber es ist einer. Er setzt mich jetzt auf mich und ich gebe mein Bestes, um auch ihm die Befriedigung zu geben. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit und ich habe langsam keine Lust mehr. Ich lege mich auf meinem Rücken und ziehe ihn wieder auf mich mit der Hoffnung, dass er mit seinem Rhythmus schneller geht. Es dauert immer  noch zu lang. Er stöhnt mal lauter, wird schneller und sackt dann wieder ab und wird langsamer. Mich nervt das ganze nur noch, also versuche ich mit meinem Finger nachzuhelfen. Hat ja auch schon bei Herrn Busch funktioniert. Langsam streiche ihm über den Rücken und gleite langsam zwischen seine Pobacken. Gerade als mein Finger sein Ziel gefunden hat, setzt er sich auf und sagt: „Das funktioniert einfach nicht.“

Ich bin etwas erschrocken und verwirrt, was denn mit dem passiert ist. Tja, dann will der das halt nicht ausprobieren. Meine Gedanken gehen für einen Moment zurück an Herrn Busch, bevor ich ihn vermissen kann, zieht mich Mr Sekt zu sich und nimmt mich in seinen Arm. Mein Körper versteift sich komplett. Ich traue mich nicht mich zu bewegen, sein Griff um meine Schulter ist zu fest. Er lässt mir gar nicht den Raum das Kuscheln abzuwenden, also lasse ich es zwangsläufig zu. Mein Kopf auf seiner Schulter, mein Körper ganz nah an seinem. Unsere Körper kleben fast schon aneinander, aber sobald ich mich bewege und erwarte, dass sein Griff lockerer wird, hält er mich nur noch fester.

Ich halte es vielleicht zehn Minuten aus und versuche eine zweite Runde in die Gänge zu bringen, damit es zu Ende geht. Mit Erfolg. Ich reiche ihm wieder ein Kondom. Ich komme nicht wirklich in Fahrt und gebe mir kaum Mühe die richtige Stellung zu finden. Ich will nur noch, dass er kommt und dann so schnell wie möglich geht. Auch dieser Plan geht mit viel Anspannung auf. Diesmal stehe ich sofort auf, damit es nicht wieder zu diesem Kuscheln kommt. Ich ziehe mir einen Slip über und gehe aufs Klo, mit der Hoffnung, dass er angezogen ist, wenn ich wieder komme.

Er ist es leider nicht. Ich lege mich noch Mal kurz ins Bett, so weit wie möglich von ihm weg. Wir plaudern noch ein wenig und etwas später fängt er an sich anzuziehen. Ich kann mein erleichtertes Seufzen zum Glück zurückhalten. Ich bringe ihn noch zur Tür und gehe danach duschen. Ich gehe die letzten Stunden noch ein Mal unter der Dusche durch. War das wirklich nötig? Fühl ich mich wirklich besser? Ich fühl mich wieder komplett ausgelaugt. Bin leer.

Ich entscheide, sowas nicht noch Mal zu tun.

 

15 Gedanken zu “Drachen oder Methamphetamin

  1. Interessanter Einblick. Ich hatte neulich erst ein Gespräch darüber, wie schwierig es ist, in intimen Momenten zu sagen, was man selbst will, weil man die andere Person nicht verletzen möchte. Beim Lesen jedoch wünschte ich mir einfach nur, dass du ihm sagst, was er besser lassen sollte. Sehr merkwürdig und vermutlich viel einfacher mit einer Person, die man eben doch nicht einfach nur herbeigewischt hat. 😉

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      1. Ich hätte gestern auch ein Sexdate haben können, als ich mich unüberlegt in den Park setzte und für einen Moment die Augen schloss. Als ich sie wieder öffnete, kam ein Typ auf mich zu, der mein Fahrrad bewunderte (es ist ein klappriges, gebrauchtes mit 3 Gängen, das neben seinem Markenrad wie ein schlechter Witz wirkte). Ich dachte erst, er brauchte nur jemanden zum Reden, aber er wollte dann ständig über Sex reden und dass in jener Ecke des Parks sich ja Schwule zum Sex treffen würden. Natürlich betonte er immer wieder, dass er nicht schwul sei…ich habe mir irgendwann einfach nur gewünscht, dass er seinen Wunsch direkt ausspricht, damit ich ihm direkt eine Absage erteilen kann. Tja, stattdessen rette mich ein Freund, der wohl spürte, in was für einer Situation ich mich befand. Ich zu dem Typen zwar recht deutliche Worte gesprochen und dennoch merkte ich, dass es mir schwer fiel ihm zu sagen, dass seine Form der Anmache hochgradig anstrengend und nervig sei und er gefälligst seine vorgeschobene homophobe Art vergessen sollte, wenn er jemals glücklich werden wollte.

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      2. Naja es erfordert ja auch ein gewisses Maß an Mut um jemandem die ehrliche Meinung zu sagen. Das ist nicht immer einfach! Aber immerhin hast dus getan 😉

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      3. Ne, hab ich ja eben nicht. Zumindest nicht in der Deutlichkeit, die ich für richtig erachte. Da muss ich noch ein wenig an meinem Mut arbeiten.

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      4. Oder ich hab es schlecht geschrieben. Nun denn, ich habe ihm zumindest klar gemacht, dass es mir vollkommen wurscht ist, ob er schwul ist oder nicht. Vielleicht hilft ihm das ja zumindest. 🙂

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      5. Ooooddeeer das 😄😄 jetzt verstehen wir uns ja 😉 Deine Absage wurd damit auf jeden Fall deutlich, ob er versteht warum, glaube ich eher nicht :/

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      6. Nunja, ich kann ja nicht die ganze Welt retten, gerade wenn sie sich nicht retten lässt und so muss es manchmal genügen, wenn ich nur mich rette ^^

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  2. Hallo 🙂
    Ich bin gerade auf deinen Post aufmerksam geworden… ich als Langzeit-Single kann sagen… es kann gut sein aber auch so wie bei dir :-/ allerdings habe ich in den letzten Jahren zum Glück gelernt sehr direkt zu werden. Neulich war ich ganz stolz auf mich weil ich ein Date mit einem zugegebenermaßen wunderschönen, großen Mann hatte. Das war ihm wohl bewusst und er lag nur da. Er tat nichts. Wollte sich nur bedienen lassen, meinte dann ob ich ihn in den Mund nehme… er selbst macht ja nichts mit dem Mund. Ahja. Nee. Hab ihm dann sachlich erklärt das es sicher für viele Ladies reicht das er gut aussieht. Für mich nicht. Und bin gegangen (das er dann noch meinte ich könnte froh sein so nen tollen Typ zu bekommen -bei meiner Figur- …naja, muss ich noch mehr erzählen? :-/)
    Du musst es so sehen… diesen Menschen siehst du evtl. nie mehr, es ist scheissegal ob du ihn kränkst. Solange du ihn nicht auslachst und total unfreundlich bist darf man sagen was man will und erst recht was nicht. Das macht vieles einfacher, auch für den anderen. Ich schätze das sehr.

    Viel schwerer fällt mir das bei jemand den ich auch für etwas festes interessant fände.

    Und so jemanden zu finden, das wäre auch mal wieder schön 🙂

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    1. Naja ich sehe das eher grundsätzlich anders. Jemand der für etwas längeres interessant ist sage ich sofort meine Meinung und bin dann auch komplett ehrlich. Schließlich muss ich seine Reaktion darauf abschätzen und er lernt mich dann auch besser kennen. Jemand fremdes ist nur für den Spaß da. Dem noch ewig zu erklären wie und was ist nur Zeitverschwendung, weil man den ja eh nich mehr sehen will. Aber auch dem würde ich die meinung sagen wenn derjenige kaum respekt vor einem hat, so wie in deinem Fall gerade.

      Ich denke jeder geht anders mit verschiedenen Situationen um und das ist dann eben auch Characktersache 🙂

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      1. Grundsätzlich sollte man zu jedem ehrlich sein, aber es fällt mir schwerer bei jemandem den ich für was festes will.
        Aber alles in allem bin ich zu jedem ehrlich. Und direkt. Aber nicht unhöflich. Die meisten kommen gut damit klar.

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  3. Haha interessant sowas zu lesen! Mein Ding wäre das ja irgendwie nicht so recht. Weiß nicht. Offensichtlich bin ich da nicht so triebgesteuert. Und komisch ist das doch allemal oder nicht?

    Mich würde echt mal interessieren wie ich küsse 😂
    Ob ich wohl such zu viel Zunge benutze? Oder zu zaghaft? Ich weiß nicht. Ich hatte mal eine gefragt, die sagte war in Ordnung. Ob das stimmte, keine Ahnung 🤭

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    1. Ich weiß nich ob man selbst merkt ob man irgendwas „falsch“ macht. Ich mein jeder küsst anders und will auch anders geküsst werden. Solang die Frau nich unbedingt ausgewichen ist, wird es schon in Ordnung sein wird 😄

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