Schatz oder Liebling?

-November 2017-

Ich öffne die Augen und ohne wirklich darüber nachzudenken sprudeln die Fragen einfach aus meinem Mund. Das dunkle, stille Zimmer wird von meiner Stimme durchbrochen: „Wie kommt es, dass du zweimal verheiratet warst?“

Kurzes schnaufen vom Türken. Auch wenn er etwas genervt ist antwortet er. Das erste Mal war wegen dem Kind und das zweite Mal, weil er damals mit seiner zweiten Freundin zu seinen Eltern ziehen musste und der Vater das sonst nicht erlaubt hätte. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen wie man aufgrund der Eltern einer Heirat zusagen kann. Er meint, dass er damals keine andere Möglichkeit hatte und bringt schon das nächste Geständnis. Er hatte damals ein großes Drogenproblem, dadurch auch Geldprobleme, sodass er keine andere Möglichkeit hatte, wieder Zuhause einzuziehen. Ich weiß nicht was ich davon halten soll, denke mir aber, dass ein vergangenes Drogenproblem nicht unbedingt ein Problem ist, sofern er jetzt keins hat. Das Gras was er mitgebracht hatte, fällt mir in dem Moment nicht ein. Wir diskutieren sehr lange, bis er auf einmal lauter wird und meint, dass ich damit klar kommen oder es dabei belassen soll. Für heute belasse ich es dabei.

Ich finde den Türken wirklich ziemlich toll, wenn ich das Kind, die zwei Hochzeiten und das vergangene Drogenproblem mal weg denke. Inwiefern ist die Vergangenheit eines Menschen wichtig, wenn man sich mit dieser Person wirklich gut versteht? Auch wenn mir die Vergangenheit doch Bauchschmerzen bereitet, denke ich, dass das erst mal kein Punkt sein sollte. Heute Abend habe ich aber erst mal ein weiteres Tinderdate. Auch wenn dem Türken in dem Punkt widersprochen habe, keine weiteren zu treffen, habe ich ein schlechtes Gewissen.

Später am Abend nach dem Date, empfinde ich etwas anders. Ich bin schon längst nicht mehr positiv gestimmt. Das Tinderdate war so schön, dass ich kaum den Türken vermissen würde. Auch mit dieser Stimmung, sage ich einem weiteren Date am darauffolgenden Tag mit dem Türken zu.

Es ist halb neun als die Tür klingelt. Ich öffne die Türen und warte bis der Türke oben an der Wohnung ist. Seine Augen sind komplett gerötet und er hat einen komischen Gesichtsausdruck drauf. Ich will noch erst abwarten, bevor ich ihn deswegen frage. Kaum habe ich die Tür geschlossen stellt er eine Frage, die mich komplett umhaut: „Hayat wollen wir uns nicht mal Schatz oder Liebling nennen?“

Ich brauche einen Moment bevor ich antworten kann. Hat er das wirklich gefragt? Ich muss mich zusammenreißen eine nicht sarkastische Antwort darauf zu geben. Was hab ich mir hier eigentlich wieder geangelt? Ich denke mir noch, dass es ja kein Wunder ist, dass er zweimal heiratet, wenn das so schnell bei ihm geht. „Nein sowas tue ich nicht. Schon gar nicht bei einem, den ich jetzt zum vierten Mal treffe.“ Er sieht enttäuscht aus, grinst aber im nächsten Moment. Ich sage ihm, dass er etwas seltsam ist. „Ich weiß nicht was du meinst. Ich bin wie sonst auch.“ Ich fühle mich auf einmal sehr unwohl und fange an mir Gedanken zu machen, wie ich ihn am besten bitten kann zu gehen. Ich sage nochmal, dass er wirklich merkwürdig ist und er aussieht als hätte er was genommen. „Ja, mein Gott. Ich habe vorhin noch mit einem Kumpel gekifft und bin dann hergefahren.“

Ich weiß nicht was mich mehr schockiert. Die Tatsache, dass er bekifft zu mir kommt oder er bekifft Auto gefahren ist. Seine Argumentation basiert darauf, dass das in dieser Stadt doch voll ok ist. Ich finde es überhaupt nicht ok, belasse aber auch die Diskussion dabei. „Ich fühle mich gerade ziemlich unwohl.“ Vielleicht kommt er so selber darauf zu gehen. Stattdessen kuschelt er sich richtig an mich und ich rutsche ein Stück weg und wiederhole meinen Satz. Schweigen. Dann schnaufen. Ich fühle mich nicht mehr nur unwohl, sondern habe sogar etwas Angst. Ich bin froh, dass das Zimmer meiner Mitbewohnerin direkt an meinem ist und sie gerade mit ihrem Freund da ist. Wenn ich laut rufe, kommen sie bestimmt. „Es tut mir wirklich leid, aber ich fühle mich wirklich unwohl.“ Er richtet sich auf. „Das ist schade. Was kann ich tun, damit du dich wohl fühlst?“ Ich ziehe die Schultern hoch. Schweigen. „Soll ich gehen?“ Ich warte einen Moment ab, bevor ich ihm sage, dass es besser wäre. Überraschenderweise steht er tatsächlich auf und geht. Ich bringe ihn nicht zur Tür.

Dennoch bekomme ich am nächsten Morgen eine Nachricht. Ich antworte, dass ich mit seiner Vergangenheit nicht klar komme und ich mich nicht mehr mit ihm treffen will. Ich kann nicht genau sagen warum, aber ich habe tatsächlich immer noch Angst, sodass ich ohne seine Antwort abzuwarten, seine Nummer blockiere.

5 Gedanken zu “Schatz oder Liebling?

  1. Du hast absolut richtig gehandelt. Ich kenne mich mit Süchtigen und ehemals Süchtigen aus: auf Dauer hilft nur: Finger weg vom Stoff oder süchtig machendem Verhalten. Und Ausagen wie „das machen doch Alle/Viele“ beweist sehr unreifes Verhalten. Von verantwortungslosen Fahren ganz zu schweigen.

    Ich wünsche Dir mit „Deinem Neuen“ alles Liebe und Gute.

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