Das Comeback

– Mai 2018 –

Mein erster Tag in meiner neuen WG. Mein Zimmer ist komplett zugestellt mit Kisten und Säcken, die voll mit meinen Sachen sind und nur warten ausgepackt zu werden. Ich schaue die Kisten und die Kisten mich an. Statt produktiv zu sein, liege ich im Bett, mit einem Schädel, der in jeder Minute zu platzen droht. Die erste Nacht habe ich natürlich nicht einfach schlafend verbracht, sondern gleich feiernd. Ich nehme das Handy in die Hand, scrolle durch Instagram und entschließe dann ein Foto von dem Chaos in meiner Story zu posten. Nur wenig später bekomme ich eine Nachricht auf meine Story. „Du bist also auch endlich hier.“

Herr Busch. Er hatte mir bereits zuvor einmal geschrieben, als er gesehen hat, dass ich umziehe. In die Stadt, in die er auch nach dem Studium gezogen ist. Wir schreiben etwas hin und her. Es fällt mir überraschend leicht mit ihm zu schreiben. Ich habe kein Problem damit. Es ist als ob ich mit einem alten Freund schreibe. Vollkommen in Ordnung. Ob es wohl genauso in Ordnung sein wird, wenn ich in wieder mal sehe?

Ein paar Tage später werde ich zu einer Whatsapp-Gruppe hinzugefügt. Ich schaue während der Arbeit nur kurz drauf und lege dann das Handy wieder weg, mit dem Gedanken, dass es wohl eine Gruppe mit meinen alten Arbeitskollegen ist. Erst später als ich nach Hause laufe, sehe ich, dass Herr Busch in der Gruppe ist und es lauter alte Kommilitonen aus meiner Studienzeit sind. Bestimmt 20 Leute, die alle auch in meiner neuen Heimatstadt wohnen. Irgendwann finde ich heraus, dass die Gruppe da ist, um sich spontan abends zu einem Drink zu treffen. Es ist zuerst sehr seltsam. Na klar kenne ich fast alle aus der Gruppe, aber es war nicht unbedingt meine „Clique“, mit der ich mich auch in meiner alten Studienzeit getroffen habe.

Nach gut einem Monat in der neuen Stadt und im neuen Job, schiebe ich bereits die ersten Überstunden. Gegen acht mache ich mich auf den Weg nach Hause lese beiläufig die Nachrichten aus der Gruppe. Es treffen sich wohl wieder welche zu einem Bier. Ich kaufe mir bei der nächsten Pizzeria was zu essen, laufe ich an der Bar unter meiner WG vorbei und erkenne eine alte Kommilitonin. Sie erkennt mich auch wieder. Wir unterhalten uns kurz und sie frägt mich ob ich später mitkommen will, um noch ein Bier zu trinken. Auch wenn ich ziemlich müde bin, sage ich zu. Alleine einfach zu einem Treffen gehen, werde ich mich kaum trauen, aber so ist das voll ok.

Später auf dem Weg zur Bar wird mir erst richtig bewusst, dass ich herrn Busch nach 1,5? Jahren wieder sehen werde. Ich werde langsam nervös. Kann ich das ertragen? Ist das in Ordnung? Irgendwann muss ich das herausfinden. Wir kommen der Bar immer näher. Wie oft habe ich mir diesen Moment vorgestellt? Ihm wieder, zwar total zufällig, über den Weg zu laufen. Jede Vorstellung endete entweder in einem Drama oder einer neu beginnenden Liebesgeschichte. Keine einzige dieser Vorstellungen, kommt der Realität nahe.

In der Bar dauert es einen kurzen Moment bis ich ihn neben weiteren Kommilitonen erkenne. Ich hatte eher damit gerechnet einen kurzen Schockmoment zu haben, dass ich wieder dieses dumme Stechen in meiner Brust  spüre oder überhaupt etwas. Stattdessen bemerke ich nur nüchtern, dass er sich bis auf die Brille, die er nun trägt, kaum verändert hat. Gleiche Statur, gleiche Frisur und gleiches verschmitztes Lächeln. Genauso schaut er mich an. Ich winke und lächel ihm auch zu. Unter den Kommilitonen ist auch mein Nachbar dabei. Er ist am nächsten zu mir, sodass ich ihn zuerst umarme und dann Herrn Busch. Ist das in Ordnung? Halte ich das aus? Ja. Es ist noch immer so, als ob ich einen alten Freund wieder treffe.

Der Abend ist lustig. Wohl oder übel ist jeder in der gleichen Branche tätig, nur bei verschiedenen Arbeitgebern. Jeder genießt das Leben in der Großstadt und irgendwie, auch wenn es banal ist, den Moment. Eine unbeschwerte Runde in der keine ernsten Themen geredet werden. Jeder ist um den vollen Kopf nach der Arbeit frei zu kriegen. Wieder unbeschwert nach Hause zu können. Jeder redet mit jedem, weil jeder etwas gemeinsam hat. Auf dem Weg nach Hause entwickelt sich ein kleines Hoch in mir. Der Einstieg in die neue Stadt fällt mir hier sehr viel leichter als in der vorherigen.

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